Zum Nikolaustag gibt's eine neue Broschüre!

Text: Susanne Petersen
Titelfoto: Götz Berlik

„Mehr Platt för all“: Unter diesem Motto hat das Länderzentrum für Niederdeutsch (LzN) am 6. Dezember zum „Nikolausdag op Platt“ eingeladen. Grund zum Feiern gibt es an diesem Tag gleich reichlich – zum einen wird die frisch gedruckte Broschüre „Plattdeutsch – Sprache des Herzens“, offiziell vorgestellt, zum anderen blickt das LzN an diesem 6. Dezember 2019 auf sein zweijähriges Bestehen zurück: „Für uns alle also gleich mehrere Gründe, miteinander zu feiern“, freut sich Christianne Nölting.

Erst wird mit den kleinen Gästen gesungen – dann gelesen und gespielt.
Foto: Jan-Bernd Müller

Gefeiert wird „generationsübergreifend“ mit Groß und Klein: Am Vormittag kommt der Nikolaus höchstpersönlich ins LzN in der Contrescarpe 32, um Bremer Kindergartenkinder mit kleinen Geschenken zu beglücken. Dass dabei gleich auch ein bisschen Platt gelernt wird, versteht sich von selbst:  LzN-Leiterin Christianne Nölting liest und singt mit den Lütten Lieder „op Platt“ und macht kleine plattdeutsche Sprach- und Bewegungsspiele mit ihnen.  

Mittendrin: Für den musikalischen Rahmen sorgt der Hamburger Musiker Jochen Wiegandt.
Foto: Götz Berlik

Nachmittags  sind die „Großen“ eingeladen: Rund 30 Gäste feiern an diesem 6. Dezember im gemütlich-vorweihnachtlichen Rahmen gemeinsam bei Kaffee und Weihnachtsgebäck das zweijährige Bestehen des LzN und die offizielle Präsentation der neuen Broschüre „Plattdeutsch – Sprache des Herzens“, in der Menschen aus dem Pflegebereich über ihre guten Erfahrungen mit der niederdeutschen Sprache im Berufsalltag berichten. Diese Intitiative des Länderzentrums für Niederdeutsch konnte mit großzügiger und tatkräftiger Unterstützung der Carl-Toepfer-Stiftung aus Hamburg, der Katholischen Akademie Stapelfeld, dem Niederdeutschsekretariat und dem Bundesrat für Niederdeutsch entstehen.

Christianne Nölting im Gespräch mit dem Schirmherrn von „Platt in de Pleeg“, Dr. Henning Scherf.
Foto: Götz Berlik

Besonders freut sich Christianne Nölting, dabei auch den Schirmherrn von „Platt in de Pleeg“, Bremens früheren Bürgermeister, Dr. Henning Scherf, im Länderzentrum begrüßen zu können. In seiner Begrüßungsrede betont der Schirmherr die Bedeutung des Plattdeutschen in den norddeutschen Pflegeeinrichtungen: „Auch wenn ich selbst kein Muttersprachler bin – im Gegensatz zu meiner plattdeutsch sprechenden Frau!  –, schätze ich diese Sprache so sehr, dass ich gern auch plattdeutsche Geschichten und Gedichte in Senioreneinrichtungen vorlese.“ Denn, so Dr. Henning Scherf weiter: „Wenn Menschen sich in ihrer Muttersprache begegnen, löst das Wohlbefinden bei ihnen aus. Sie fühlen sich verstanden, geborgen und zu Hause.“

Christianne Nölting spricht mit Broschüren-Mitautor, Heinrich Siefer (Katholische Akademie Stapelfeld und Sprecher des Bundesrats für Niederderdeutsch).
Foto: Götz Berlik

Eine Erfahrung, die auch weitere Gäste an diesem Tag nur unterstreichen können. Denn unter den Besuchern, die Christianne Nölting und ihr Team  an diesem Nachmittag im LzN begrüßen können, sind auch einige der porträtierten Menschen und Mitautoren, die in der Broschüre „Platt in de Pleeg“ aus ihrem Berufsalltag berichten – und die sich heute, aus besonderem Anlass, extra auf den Weg in die Bremer Contrescarpe 32 gemacht haben.

Platt in der Pflege oder Platt in de Pleeg ist eines der niederdeutschen Themen, deren Förderung das Länderzentrum für Niederdeutsch betreibt.
Christianne Nölting fragt Ursula Berlik aus Hamburg nach ihren Erfahrungen mit der „Herzenssprache Plattdeutsch“.
Foto: Götz Berlik

Darunter etwa Ursula Berlik, die seit über 20 Jahren Menschen in plattdeutschen Sprachkursen und Erzählcafés ehrenamtlich miteinander ins Gespräch bringt. Sie berichtet von bewegenden Erlebnissen u. a. auch mit dementen Patienten, die durch eine Ansprache in ihrer plattdeutschen Muttersprache plötzlich wieder eine rege Anteilnahme zeigen und am Alltagsgeschehen um sie herum aktiv teilnehmen. Wie etwa die demente alte Dame in einem Seniorenheim in Hamburg, die seit Wochen nur, scheinbar teilnahmslos, in ihrem Rollstuhl am plattdeutschen Gesprächskreis teilgenommen hat. Bis Ursula Berlik eines Tages das Gedicht „Lütt Matten, de Has“ von Klaus Groth vorstellen will: „Kaum hatte ich ein paar einleitende Worte gesagt, erhebt sich diese alte Dame mühsam aus ihrem Sitz, tritt hinter ihren Rollstuhl, stützt sich auf die Griffe, um aufrecht stehen zu können, und zitiert alle Strophen des plattdeutschen Gedichts – klar und fehlerlos.“  Als sich die alte Dame danach wieder in ihren Rollstuhl setzt, klatschen alle Anwesenden Beifall:  „So etwas habe ich selten erlebt“, sagt Ursula Berlik.

Christianne Nölting in munterer Unterhaltung mit Hella Einemann-Gräbert.
Foto: Götz Berlik

Auch weitere Gäste, die LzN-Leiterin Christianne Nölting an diesem Nachmittag vorstellt, haben ähnlich Bewegendes zu erzählen. Etwa Hella Einemann-Gräbert, die seit rund 30 Jahren im Bereich Pflege/Altenpflege tätig ist und mit ihrem Team an der Berufsschule Wildeshausen die Wortschatz-Broschüre „Platt in de Pleeg“ entwickelt hat, die in andere regionale Sprachen übersetzt wurde. Auch sie weiß, wie wichtig Muttersprache für das Wohlbefinden bzw.  den Heilungsprozess nicht nur alter oder dementer Menschen ist: „In der heutigen Zeit können wir es uns nicht leisten, in der Isolation zu leben. Darum sollte man – um mit Indira Ghandi zu sprechen – drei Sprachen haben: eine regionale, eine nationale und eine internationale.“ Dies gelte auch für das Miteinander der KollegInnen im Pflegebereich, die immer öfter einen Migrationshintergrund haben und meist mit großem Engagement und Interesse Plattdeutsch lernten, wie sie erfreut festgestellt habe. Vielleicht, so Hella Einemann-Gräbert, bekäme sie ja bald die Anfrage, „ihre plattdeutsche Wortschatz-Broschüre ins Arabische zu übersetzen“: „Und meine Antwort darauf lautet schon jetzt: Jo, man to!“

Werner Michael erzählt Christianne Nölting und den Gästen von seinen auch unterhaltsamen Erlebnissen als Plattdeutsch-Lehrer.
Foto: Götz Berlik

Weiter geht der launige wie bewegende Nachmittag mit Plattdeutsch-Lehrer Werner Michael, den Christianne Nölting anschließend vorstellt. Mit viel Sprachkompetenz und Herz für die Sache bringt der 69-Jährige seit vielen Jahren Auszubildenden der Alten- und Krankenpflege Niederdeutsch bei – und legt dabei besonderen Wert auf Beziehungsaufbau und Empathie. „Es kommt überhaupt nicht darauf an, perfekt Plattdeutsch zu sprechen – viel wichtiger ist die gute Absicht“, so Werner Michael. Deshalb sei denn auch der wichtigste plattdeutsche Satz für ihn dieser: „Se könnt mit mi gern Platt snacken. Ik kann dat ans – oder tomindest tomeist – verstahn.“

Christianne Nölting im Erfahrungsaustausch mit Herbert Fuhs, dem ersten Plattdeutsch-Berater an der Niedersächsischen Landesbehörde für Berufsschulen.
Foto: Götz Berlik

Auch Herbert Fuhs – erster Plattdeutsch-Berater an der Niedersächsischen Landesschulbehörde für Berufsschulen – weiß an diesem Nachmittag viele  ermutigende Anekdoten aus dem Alltag zu erzählen und vor allem dies: „Die Berufsschüler merken jeden Tag aufs Neue, wie sehr ihnen Plattdeutsch auf allen Ebenen den Job erleichtert.“

Mit stimmungsvollen plattdeutschen Liedern und Geschichten rundet er den Nachmittag ab: Musiker Jochen Wiegandt.
Foto: Götz Berlik

Ein stimmungsvoller Nachmittag neigt sich dem Ende zu – und wird abgerundet von „Wigolaus“ Jochen Wiegandt, der mit Gitarre und plattdeutschen Liedern für eine stimmungsvolle musikalische Umrahmung sorgt. Noch ein letztes gemeinsames Lied „op Platt“ – und dann heißt es „Tschüß!“ sagen, auch für Christianne Nölting, die allen Gästen und Mitwirkenden noch ein herzliches Dankeschön mit auf den Weg gibt: „Wir freuen uns über jede Pflegeeinrichtung und jedes Krankenhaus, das der plattdeutschen Sprache Raum gibt und damit den Bewohnern oder Patienten eine besondere Weise der Geborgenheit in der Sprache ihrer Kindheit.“

Die Broschüre „Plattdeutsch – Sprache des Herzens“ kann im Länderzentrum für Niederdeutsch angefordert werden unter: info@LzN-Bremen.de